Till Mayer in Schutzmontur vor einem zerstörten Haus.

Der Autor und Fotograf Till Mayer

„1996 war ich in Kabul. Es war eine meiner ersten Reisen in ein Kriegsgebiet. Die Taliban standen kurz davor, die Stadt einzunehmen. Sie schickten ihre Raketen. Eine schlug nicht unweit des Hauses ein, in dem ich wohnte. Die Wände zitterten kurz. Aber ich fühlte mich hinter Sandsäcken und abgeklebten Fenstern sicher.

Keine zwei Stunden später fotografierte ich in einem Krankenhaus die, die weniger Glück hatten. Die Opfer und Überlebenden der Raketenangriffe. Eine Mutter blickte voll Sorge auf ihren Sohn, den Ärzte und Schwestern in Verbände gehüllt hatten. Eine andere Mutter verlor an diesem Tag ihr Kind. Die Verbrennungen waren zu schwer. Ihren Anblick werde ich nie vergessen.

Es gibt wohl keine Worte, die den Schmerz beschreiben, den diese Frau gefühlt haben muss. Ihr Leben und das ihrer Familie wurden bei diesem Angriff für immer erschüttert. So wie das all der Protagonisten dieser Ausstellung.

Da ist der Bauer aus dem Kongo, der bei der Explosion einer Granate ein Bein verliert und fast seine gesamte Familie. Oder die Seniorin in einem Dorf in der Ostukraine, nahe der Frontlinie. Fast nur noch Alte sind dort geblieben. Sie suchen Schutz in einem Gemüse­keller, wenn die Kämpfe wieder einmal aufflammen.

In Laos reißt ein detonierender Blindgänger einer Streubombe einem Teenager Jahrzehnte nach dem Krieg beide Hände ab und raubt das Augenlicht. Ein Splitter im Rücken beendet die vielversprechende Karriere eines Jungunternehmers in Damaskus. Querschnittsgelähmt flieht er mit seiner Familie in den Libanon.

In Serbien treffe ich einen ehemaligen Bombenentschärfer, dem die Explosion Hände und Beine weggerissen hat. In Bosnien erzählt mir ein Mann, wie er die Bombardierung Sarajevos erlebt hat. Zwei seiner Spielkameraden starben vor seinen Augen.

Ein junger Kämpfer im Südsudan wird nach einem Einschlag im Gefecht zum Versehrten. Von nun an ein Zivilist, unbrauchbar für die Militärs. Fast drei Jahrzehnte fristet er ein Leben in Lagern. In Libyen kratzt ein Bauer mit seinem Pflug über einen Blindgänger. Ein Wunder, dass der mächtige Sprengkörper nicht explodiert, dabei den Mann mit seinem Traktor in Stücke reißt.

Die Explosionen von Bomben und Granaten erschüttern ein Leben lang: Weil Beine und Arme nicht nachwachsen können, geliebte Menschen nicht wiederkehren. Weil die Zeit eben nicht alle Wunden heilt, wenn die Seele tief verletzt ist. Weil Bomben und Granaten zwingen, vor ihrer todbringenden Gefahr zu fliehen, die Heimat zu verlassen.

Also wieder nur traurige Geschichten aus einer verrückten und grausamen Welt? Die Menschen in dieser Ausstellung bieten ihrem Schicksal die Stirn und kämpfen für ihre Würde. Und oft auch für die anderer Menschen. Es sind mutige und tapfere Frauen und Männer. Ich hoffe, sie machen Euch und Ihnen, liebe Betrachterin, lieber Betrachter, auch Mut, um sich an der Kampagne gegen Explosivwaffen zu beteiligen.“

Über den Autor und Fotografen

Die Langzeitfolgen von Konflikten und ihre Ursachen hält Till Mayer seit vielen Jahren in seinen Fotos und Reportagen fest. Dafür wurde der Bamberger Journalist und Fotograf mehrfach ausgezeichnet. Oft arbeitet er eng mit Handicap International, dem Roten Kreuz/Roten Halbmond und anderen Hilfsorganisationen zusammen.

Ehrenamtlich engagiert sich Till Mayer bei den Rotkreuz-Kreisverbänden Bamberg und Lichtenfels (Bayern) als Vorstandsmitglied und Konventionsbeauftragter. In seiner Heimat hat er die Leser­aktion „Helfen macht Spaß“ aufgebaut, die in Zusammenarbeit mit Wohlfahrtsverbänden Menschen in Not unterstützt. Seit über einem Jahrzehnt engagiert er sich für bedürftige Senioren in Lviv (Ukraine).

Bei der Tageszeitung „Obermain-Tagblatt“ ist er als Redakteur angestellt. Als freier Fotograf und Journalist fotografiert und schreibt er für zahlreiche Zeitungen, Magazine und Online-Medien. Seine Fotos werden weltweit in Ausstellungen gezeigt. Er ist Autor von mehreren Bildbänden.

Für die Ausstellung "erschüttert" hat Till Mayer zum wiederholten Mal den renommierten Coburger Medienpreis erhalten.

Vortrag von Till Mayer

In diesem Video gewährt Till Mayer einen tieferen Einblick in die alltäglichen Barrieren der portraitierten Menschen. Das Vortragsvideo eignet sich auch gut als Einstieg in einen digitalen Vortrag mit Till Mayer, den Sie gerne begleitend zu der Ausstellung buchen können.