Mashali auf Krücken vor einem Steinhaufen.

Mashali Kahombo, 60 Jahre

Kongo: 2014

In den Kriegsgebieten im Zentrum Afrikas sind Hunderttausende vor der Gewalt auf der Flucht. Viele stranden in den Lagern von Goma. Für Kriegsversehrte fehlen Rollstühle, Krücken, Prothesen. Es sind zu viele Betroffene. Mashali Kahombo und seine Tochter überleben einen Granateneinschlag, der alle weiteren Familienmitglieder tötet. Die Explosion reißt ihm ein Bein ab.

Mashali Kahombo versucht wütend zu sein. Es will dem alten Mann aus dem Kongo einfach nicht gelingen. Dabei sollte es doch denkbar einfach sein, denjenigen zu hassen, der damals die Bombe warf. Oder besser diejenigen, die dafür verantwortlich sind. Dafür, dass fast seine ganze Familie starb, fünf Menschen. Nur eine Tochter überlebte. Ihm riss es bei der Explosion das halbe linke Bein weg, als würde jemand einen Grashalm aus dem Boden reißen. Die Bombe fiel im Jahr 2008. Dass er nicht verblutete, grenzt an ein Wunder. Statt Wut empfindet der 60-Jährige nur Trauer.

Kahombo kehrte nach der Amputation auf Krücken in sein Dorf zurück. Ein paar Hütten nur. So unbedeutend, dass es nicht einmal auf einer Landkarte der kongolesischen Unruheprovinz Nord-Kivu zu finden ist. Zwei Jahre später flieht er mit seiner Tochter vor neuen Kämpfen. Seitdem lebt er im Camp Lac Vert. 

Zusammen mit 22.500 anderen, die sich in Sicherheit brachten und jetzt in erbärmlichen Hütten hausen. Gebogene Zweige mit weißen Plastikplanen darüber. Sie halten den Regen ab, mehr nicht. Hütte reiht sich an Hütte. Jede knapp zweieinhalb mal zwei Meter groß. Mehrköpfige Familien leben darin. Nachts liegen die Bewohner nebeneinander wie Sardinen in der Büchse.

Kahombo balanciert mit seinen Krücken über Vulkangestein. Große, schwarze, porige Brocken schichten sich auf. 2002 brach der Vulkan aus, jetzt bildet die erstarrte Lava ein Geröllfeld. Die wackeligen Steine sind scharf und spitz. „Wie Messerklingen. Wenn ich da stürze, ist schnell die ganz Haut aufgerissen. Glauben Sie mir, das tut weh“, sagt der alte Mann. 

Es ist nicht viel, was sich Kahombo wünscht: Dass endlich Friede einkehrt und er in sein Dorf zurückkehren kann. Aufrecht, wie ein Mann. Nicht  gebückt auf Krücken. Doch dafür bräuchte er eine Prothese, die er bisher von den Hilfsorganisationen vor Ort nicht bekommen hat. Kahombo vermutet als Grund seine Amputation über dem Knie, die ein aufwendiges Modell nötig machen würde. Und es sind so viele, die ein Bein verloren haben: weil eine Granate einschlug, eine Schusswunde nicht heilte oder sie auf eine Mine getreten sind. Zu viele, als dass alle von den Hilfsorganisationen versorgt werden könnten.

„Ich will aufrecht heimkehren. Nicht gebückt auf Krücken.“

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So unterstützt Handicap International

Mashali Kahombo und seine Tochter überleben einen Granateneinschlag, der alle weiteren Familienmitglieder tötet. Explosivwaffen (Granaten, Raketen, improvisierte Sprengsätze und Streubomben usw.) töten und verstümmeln. Über 90 Prozent der Opfer stammen aus der Zivilbevölkerung – und das, obwohl der Einsatz von Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten (EWIPA) durch das Völkerrecht verboten ist. Handicap International setzt sich dafür ein, dass das Völkerrecht und der besondere Schutz, unter dem die Zivilbevölkerung steht, mehr geachtet wird und die Betroffenen der explosiven Kriegsreste unterstützt werden.

Zusammen mit INEW beteiligten wir uns aktiv an dem diplomatischen Prozess zur Ausarbeitung einer politischen Erklärung, die dem besseren Schutz der Zivilbevölkerung vor dem Einsatz von EWIPA dienen soll. Die politische Erklärung wurde bei einer offiziellen Unterzeichnungskonferenz in Dublin am 18. November 2022 bereits von vielen Staaten angenommen und beinhaltet wesentliche Forderungen von HI und INEW: So werden die humanitären Auswirkungen von Explosivwaffen erstmals anerkannt und klare Verpflichtungen für die Staaten zur Opferhilfe, zur Räumung von Kampfmittelrückständen und zur Risikoaufklärung genannt.

Die Explosion reißt Mashali Kahombo ein Bein ab. Seit der Gründung von Handicap International im Jahr 1982 sind Reha-Leistungen für Menschen mit Behinderung eine zentrale Aufgabe. Fachkräfte werden vor Ort ausgebildet und nutzen lokal verfügbare Materialien, Kompetenzen und Infrastrukturen. Hilfsmittel, wie zum Beispiel Prothesen, Orthesen, Rollstühle oder Hörgeräte, sowie psychosoziale Unterstützung helfen den Betroffenen wieder selbstständig ins Leben zurückzufinden.